Hinter der Hecke die Welt
Ein Dorf hat Angst vor dem Verschwinden. Deshalb trifft es Maßnahmen: Die bei den Touristinnen und Touristen beliebte Hecke wird gehegt und gepflegt, der Stand der Dorfkasse wird regelmäßig überprüft. Vor allem aber kümmert man sich um Pina und Lobo, denn die Kinder sind die Zukunft des Dorfes. Doch Pina und Lobo wachsen schon lange nicht mehr. Während das Dorf auf die Wachstumsschübe der Kinder wartet, beobachtet Pinas Mutter in der Arktis, wie das Eis schmilzt und Grenzen sich verschieben.
Nach ihrem gefeierten Debüt legt Gianna Molinari erneut ein eindrucksvolles Porträt über die wechselseitige Durchdringung von Natur und Kultur vor, einen Roman, der unsere Vorstellungen von Wachstum und Stillstand hinterfragt und dabei ebenso viel poetische wie politische Kraft entfaltet.
Lieselotte Stalzer –
„Wie die Hecke ins Dorf gekommen war, wusste niemand. Vielleicht war zuerst die Hecke da gewesen und dann erst das Dorf. … Alle die nicht größer waren als ein Meter fünfzig, gehörten zu den Hoffnungsträgern des Dorfes. Dazu zählten Lobo, Pina und Pilaster, der Hund des Architekten.“
Die Schweizer Autorin Gianna Molinaris erzählt in ihrem zweiten Roman von einer Welt, die sich durch die Klimakrise stark verändert. Zwei Erzählstränge verbinden das Schrumpfen zweier Habitate: eines Dorfes und die Gletscher der Arktis. Das Dorf ist beinahe unbewohnt, Pina und Lobo sind die einzigen beiden Kinder, die noch da sind. Sie wachsen nicht mehr, machen sich jedoch viele Gedanken über das Verschwinden ihrer Umwelt, so z.B. das Aussterben von Tieren. Straßenzüge verschwinden, nichts wächst mehr, nur die Hecke. Sie wird gepflegt, denn sie zieht Touristenströme an. Denn das Dorf setzt auf den Tourismus, um zu überleben. Im zweiten Erzählstrang geht es um Pinas Mutter, die die ebenfalls verschwindenden Gletscher der Arktis und das dortige Aussterben der Arten erforscht.
„Hinter der Hecke die Welt“ ist ein bildgewaltiges, poetisches und phantastisches Märchen, das mit drei Motiven spielt: Wachstum, Schrumpfen und Stillstand. Die Hecke wächst, die Arktis schrumpft. Und die Kinder, die nicht mehr wachsen, stehen still. Die Autorin regt zum Nachdenken über das Leitbild der heutigen Gesellschaft „Immer höher, schneller, weiter“ an, bietet viel Freiraum, sich darüber eigene Gedanken zu machen.
Ein zeitgemäßes empathisch geschriebenes Märchen, in dem sehr viel Aktualität und Brisanz steckt. Sehr lesenswert.