Isidor

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Dr. Isidor Geller hat es geschafft: Er ist Kommerzialrat, Berater des österreichischen Staates, Multimillionär, Opernfreund und Kunstsammler und nach zwei gescheiterten Ehen Liebhaber einer wunderschönen Sängerin. Weit ist der Weg, den er aus dem hintersten, ärmlichsten Winkel Galiziens zurückgelegt hat, vom Schtetl in die obersten Kreise Wiens. Ihm kann keiner etwas anhaben, davon ist Isidor überzeugt. Und schon gar nicht diese vulgären Nationalsozialisten.

Autor: Shelly Kupferberg ISBN: 978-3-257-07206-8 Kategorie: Schlüsselwort:
Diogenes , 2022
Hardcover , 256 Seiten
Produkt-ID:7545

1 Bewertung für Isidor

  1. Bewertet mit 5 von 5

    Lieselotte Stalzer

    Der Roman „Isidor“ von Shelly Kupferberg beginnt nicht mit der, dem Roman Namen gebenden Figur, sondern mit Walter, dem Großvater der Autorin. Im Jahr 1956 reiste dieser erstmals nach seiner Emigration nach Tel Aviv in seine Heimatstadt Wien. Er schreibt zahlreiche Briefe an seine daheim gebliebene Frau. Diese Briefe sind ein erschütterndes Zeugnis dessen, was damals geschah und was leider auch noch heute immer wieder anzutreffen ist. [„…] wenngleich das eigenartige Gefühl zwischen Wehmut und Grauen noch nicht weichen will“, schrieb Walter. Als Wienerin hat mich der Beginn dieses Buchs sofort in die folgende Geschichte gezogen, zu Isidor und vielen anderen Figuren.
    Der Weg des Dr. Isidor Geller zum Berater des österreichischen Staates beginnt in einem ostgalizischen Schtetl. „Als er später zum Studieren nach Wien kam, wurde aus Israel Isidor.“ Man schreibt das Jahr 1908 und in der Wiener Luft spürte man deutlich „wie sich der Aufschwung der Moderne und der Glanz des alten Habsburgerreichs vermischten … Isidor wollte ein Teil dieser Dynamik sein.“
    Dr. Isidor Geller hat es in die oberste Wiener Gesellschaft geschafft. Er ist Kommerzialrat, Multimillionär, Opernfreund und Kunstsammler. Doch nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs wird er sofort von den Nazis verhaftet, denunziert von seinen Angestellten. Shelly Kupferberg fragt im Nachwort zu diesem Buch, warum Isidor die Zeichen der Zeit verkannt hat, warum er nicht rechtzeitig geflohen ist. Er war überzeugt, dass ihm niemand etwas antun kann, schon gar nicht „diese vulgären Nationalsozialisten“.
    Der Wiener Urgroßonkel der Autorin ist, nicht nur aus der Sicht dieser Zeit, sehr gut charakterisiert. Isidor verbirgt seine Herkunft und v.a. seiner religiösen Zugehörigkeit. Sein drängender Wunsch dazuzugehören ist gepaart mit dem dazu den notwendigen Anpassungswillen. Jeden Sonntag lädt der Onkel zahlreiche Gäste zu einem Mittagessen in die Canovagasse im 1.Bezirk ein. Er bewohnt eine Etage im Palais des Freiherrn de Rothschild. Isidor, der kinderlos ist, protegiert den Sohn seiner Schwester Walter und sieht in ihm bereits seinen Nachfolger. „Walter – steh auf mein lieber! Woher stammt die Sentenz Roma locuta, causa finita – und was bedeutet sie?“ Mit der Beschreibung der sonntäglichen Bankette, dem Ambiente, den Gästen und den ‚Prüfungen‘, die Walter zu bestehen hatte, zeichnet Shelley Kupferberg ein detailliertes und authentisches Bild der reichen Wiener Gesellschaft in der Zeit vor dem ‚Anschluss‘ 1938.
    Als die Vernichtung der Juden beginnt, wird Isidor verhaftet, gefoltert und anhand seines Besitzes inventarisiert, wie seine Möbel, Gemälde, Teppiche und sogar seiner Hand- und Leintücher. Schuschniggs letzte Ansprache im Radio ‚So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volke […]‘ markiert auch im Leben Walters einen Wendepunkt.
    Shelly Kupferberg berichtet nicht nur über Isidor, sondern greift auch die Geschichte Walters, ihres Großvaters auf, dem es 1938 gelingt, Ausreisepapiere nach Palästina zu seiner Jerusalemer Familie zu bekommen. Knapper Schreibstil macht die sich zuspitzende Lage in Wien mehr als deutlich. Anspannung und Angst, wenn sich ein größeres Fahrzeug nähert, denn es könnten Häscher sein, die Juden aufladen und in ein Konzentrationslager bringen.
    Kurz vor der Abreise bittet Isidor seinen Neffen einen Brief an seine Geliebte, Ilona, die bereits in die USA emigriert war aufzusetzen, um ihr sein Schicksal zu berichten und dass er bereit sei, für sie Englisch zu lernen. „Sollte er eine Last für Ilona in Hollywood sein, diktierte Isidor seinem Neffen, sei er bereit als Diener für sie zu arbeiten“.
    Zwar ging der gante kostbare Familienbesitz in Millionenhöhe 1938 verloren: doch durch die Einbeziehung zahlreicher Briefe und verschiedener persönlicher und offizieller Dokumente, Fotos aus Familienalben ist ein berührender, emotionaler und bildreicher biografischer Roman entstanden, dem uneingeschränkte Leseempfehlung auszusprechen ist.

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