Ich bleibe hier
Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf, ihr Zuhause. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich in Kellern und Scheunen. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele.
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Lieselotte Stalzer –
Graun ist ein idyllisches Bergdorf in Südtirol. Auf einer Landkarte am Anfang des Romans kann man den Ort nahe der Schweizer und Österreichischen Grenze verorten, in einer blühenden Landschaft im Vinschgau, in der Nähe der Ortler Gruppe. Das Leben verläuft „im Rhythmus der Jahreszeiten“, bis zur Machtübernahme Mussolinis. Der Assimilierungsdruck auf die deutschsprachige Bevölkerung wächst. Auch Trina, eine junge Lehrerin spürt die restriktive Politik der Faschisten. „Deutsch sprechen verboten … Mussolini hat immer recht.“
Der Inhalt ist schnell erzählt: Trina ist Lehrerin. Als sie nicht mehr unterrichten darf, gibt sie heimlich in Kellern und Heuschobern Unterricht. Wehmütig aber ohne sentimentalen Unterton, richtet sie ihre Gedanken an ihre Tochter, die als Kind unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Trina ist mit Erich verheiratet, einem bodenständigen Mann, der seine Tiere gut versorgt und hart arbeitet, um seine Familie zu ernähren. Um zu überleben, flüchten sie ins Gebirge.
Marco Balzano greift ein Stück mitteleuropäischer Geschichte auf, die Zeit zwischen 1939 und 1943, dominiert von zwei Themen, die den Roman prägen. Die ‚große Option‘ ist das gedankliche Kernmotiv; die Entscheidung zu treffen, in der Heimat zu bleiben und die nationale Identität zu verlieren, oder alles zurück zu lassen und sich in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen und die alten Traditionen zu pflegen. Die zweite Herausforderung für die Vinschgauer ist der bevorstehende Bau eines Stausees, der die Dörfer überfluten wird. Trinas Familie steht stellvertretend für viele Familien, die während dieser Zeit geblieben sind und Widerstand gegen das ehrgeizige Projekt des Energiekonzerns Montecatinis Widerstand geleistet haben.
Beide Handlungsstränge sind in der Sprache der einfachen Vinschgauer Bevölkerung formuliert, gefühlsmäßig feinziseliert, fast poetisch. Der Stolz der Grauner Bewohner auf ihre Traditionen, ihre Sprache und ihre Kultur, damit verbunden der Wille dies zu erhalten und gegen die Ursupatoren zu verteidigen klingt kraftvoll zwischen den Zeilen mit.
„Ich bleibe hier“ ist ein Buch, das anregt über den Heimatbegriff nachzudenken. Hervorragend formuliert und von Maja Pflug mit Verve übersetzt, hallt es noch lange nach. Wiederholt zu lesen.