Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
“Es heißt, diese Reise habe ihren Preis. Einen Preis, der über die Kosten des Tickets hinausgeht.”
Es ist das Ende des 19. Jahrhunderts, und nichts fasziniert die Menschen so sehr wie die geheimnisvollen und angsteinflößenden Wunder des Ödlands. Nichts berührt diese riesige, verlassene Wildnis zwischen China und Russland außer dem Transsibirien-Express, der jeden befördert, der es wagt, das Ödland zu durchqueren. Es gibt jedoch Gerüchte, dass der Zug nicht mehr sicher ist. Wer sich nun auf diese Reise begibt, hat seine ganz eigenen, verborgenen Gründe dafür: eine trauernde Frau mit fremdem Namen, ein Kind, das im Zug geboren wurde, und ein in Ungnade gefallener Naturforscher. Doch mehr und mehr scheint es, als würden die Gefahren des Ödlands ihren Weg ins Innere finden …
Lassen Sie sich verzaubern und gehen Sie mit Sarah Brooks auf eine Reise, die sie so schnell nicht vergessen werden. Doch sehen Sie sich vor – das Ödland ist heimtückischer, als man meinen könnte.
Lieselotte Stalzer –
Das Reisen in Zügen ist für viele Menschen faszinierend. In der zeitgenössischen Literatur werden Handlungen oftmals in Züge verlegt, aus welchem Grund auf immer – vielleicht wegen des geschlossenen Raums, in dem sich die Charaktere bewegen müssen, einer stimmigen Berechenbarkeit wegen, in einer chaotischen Welt.
Selten wird dies so deutlich gemacht, wie in Sarah Brooks’ „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“, wo ein Zug die letzte Festung der Zivilisation scheint. 6000 km in 15 Tagen von Peking nach Moskau, eine Zugfahrt durch das Großsibirische Ödland, „um das sich zahlreiche Geschichten ranken, die allem widersprechen, was wir als gut und anständig und menschlich empfinden.“
Auf den Bahnsteig lernen wir merkwürdige Figuren kennen: eine trauernde Frau mit einem geliehenen Namen, ein Kind, das im Zug geboren wurde, und ein in Ungnade gefallener Naturforscher; alle auf dem Weg zur Weltausstellung in Moskau. Und jeder der Passagiere hat unterschiedliche Erfahrungen und Gründe, im Zug zu sein.
Es gibt Gerüchte, dass der Zug nicht sicher ist, denn auf der letzten Fahrt gab es einen Unfall, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Das gesichtslose und unmenschliche Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geheimhaltung dieser Ereignisse zu wahren. Als sich Geheimnisse und Geschichten zu entwirren beginnen, müssen die Passagiere und die Besatzung ihre Reise durch das Ödland gemeinsam überleben, auch wenn etwas Unkontrollierbares einzubrechen scheint.
Sowohl die physische als auch eine psychische Bedrohung für jeden, der es wagt, das Ödland zu passieren, wird in jeder Zeile spürbar. Brooks prägnante Sprache zwingt beim Lesen dazu, das gefährliche und rätselhafte Universum zu durchfahren, wie die Protagonist:innen selbst. „Das Handbuch des vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ ist eine atmosphärische Geschichte voller Geheimnisse, die sich manchmal wie Horror anfühlen.
Der Roman wirft einen gesellschaftskritischen, aber auch philosophischer Blick auf das widersprüchliche Verhältnis des Menschen zur Natur. Das Erzähltempo ist langsam, was den hohen Unterhaltungswert des Romans steigert und das überraschende Ende hinauszögert. Ein Roman, den man mehr als einmal lesen kann.