Die uns lieben
Fünfzig Jahre lang hat Trudys Mutter kein Wort über ihre Vergangenheit verloren. Doch es gibt ein verstörendes Souvenir, tief vergraben in der Wäscheschublade: ein Familienporträt, auf dem sie und ihre kleine Tochter gemeinsam mit einem Nazi-Offizier zu sehen sind, einem Obersturmführer von Buchenwald.
Lieselotte Stalzer –
Anna und Trudy sind sehr unterschiedliche Charaktere. Vor allem Anna wirkt mit ihrem mutigen Lebensentwurf und ihrer eigensinnigen Weigerung über das Vergangene zu sprechen, stark und übt eine faszinierende Ausstrahlung aus. Trudy wird in ihrem sturen Suchen der Vergangenheit als selbstbewusste Frau gezeichnet. Die sehr persönliche Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, ein langer schwelender Konflikt zwischen den beiden, erlaubt den Leserinnen und Lesern einen Einblick in den zweiten Weltkrieg, wie man ihn selten erlebt: rücksichtsvoll und emotional. Und akribisch recherchiert.
Stilistisch werden die beiden Zeit- und Ortsebenen durch klare Kapitelüberschriften mit Ort- und Zeitangaben sichtbar gemacht. In der Sprache unterscheiden sich diese beiden Ebenen ebenfalls sehr deutlich. Besonders erwähnenswert sind die Kapitel aus den 1940er Jahren, die – dank der hervorragenden Übersetzung von Yasemin Dincer – durch Dekadenz und einen schnellen, kalten Textfluss gekennzeichnet sind.
Sehr berührende Erzählung mit einem positiven Ende. Unbedingt lesenswert.