Der Gott des Waldes
Es ist August 1975, ein Sommer, der das Leben vieler Menschen in den Adirondack Mountains für immer verändern wird. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje im Sommercamp liegt, beginnt eine panische und groß angelegte Suche nach der 13-Jährigen. Das Verschwinden einer Jugendlichen im Naturreservat ist unter allen Umständen eine Katastrophe, aber Barbara ist keine gewöhnliche Camperin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Und sie ist die Schwester von Bear, dem Jungen, der seit 14 Jahren vermisst wird. Kann das Zufall sein? Was wissen die anderen Kinder im Camp über Barbaras Verschwinden, und was verheimlichen die Angestellten, die im Schatten der Van Laars ihr Dasein fristen? Was hat der aus dem Gefängnis entflohene «Schlitzer» mit all dem zu tun und welche Geheimnisse hütet die Familie selbst?
Mit scharfem Blick führt Liz Moore in ihrem neuen packenden Roman an die Abgründe von sozialer Ungleichheit, Wohlstandsverwahrlosung und Machtmissbrauch, lässt aber auch den Kampf um weibliche Selbstbestimmung und den großen Wert von Freundschaft hochleben. Mit «Der Gott des Waldes» hat sie nicht nur einen brillanten Thriller, sondern auch einen fulminanten Gesellschaftsroman geschrieben.
Lieselotte Stalzer –
Schauplatz des Romans ist das Naturreservat Adirondacks, genauer gesagt in das Van Laar Preserve, in dem sich Camp Emerson befindet. Unter Leitung von T. J. Hewitt sind die Kinder in unterschiedlichen Hütten untergebracht, wo sie der Aufsicht von Betreuerinnen und Auszubildenden unterstehen. Lagerfeuer, Übungen, Spaß aber auch am Ende des Sommers ein mehrtägiges Überlebenstraining im Wald stehen auf dem Plan des elitären Camps.
Im August 1975 entdeckt die Camp-Betreuerin Louise, dass Barbara Van Laar, die dreizehnjährige Tochter der Besitzer, aus der Hütte verschwunden ist. Es ist nicht das erste Kind der Familie Van Laar, das verschwunden ist. Barbaras älterer Bruder, genannt „Baer“ ist 16 Jahre davor auf nie aufgeklärte Art verschwunden. Liz Moore erzählt die Geschichte der beiden vermissten Kinder in den Zeitsträngen der jeweiligen Geschehnisse um die beiden Geschwister.
An der Suche nach Barbara van Laar führt Liz Moore sehr interessante und gut gezeichnete Figuren ein, z.B. die Bewohner:innen des nahegelegenen Dorfes, die bei der Suche nach der Jugendlichen helfen und sie beschreibt, wie sich die Dynamik des umliegenden Dorfes, im Laufe der Ermittlungen verändert. Zu den positiv konnotierten Charakteren zählt v.a. Judyta Luptack, die junge Ermittlerin in der Zeitlinie der 75er Jahre.
Um die Hektik der aktuellen Ereignisse und das Verhalten einige Beteiligter besser verstehen zu können, ist es wichtig, die Geschehnisse rund um das Verschwinden von Bear van Laar vor vierzehn Jahren zu kennen. Erst spät (das ist dem Spannungsbogen geschuldet) versteht man als Leser:in, warum auch das Schicksal von Baers und Barbaras Mutter Alice van Laar in rückblendend erzählt wird.
Die beiden sich abwechselnden Zeitlinien sind sehr gut miteinander verbunden und enthüllen eine Vielzahl von Geheimnissen und Lügen, die vertuscht werden müssen. Auf diese Weise entsteht ein sich langsam aufbauender Thriller mit Themen wie sozialen Hierarchien, Status der Frau, Missbrauch und Frauenfeindlichkeit; alles in allem Vorurteile, die auch heute noch zu finden sind. Aber auch der Stellenwert von Freundschaft und Hilfsbereitschaft werden angesprochen und durch Charaktere in diesem Thriller dargestellt.
Liz Moore hat mit „Gott des Waldes“ einen vielschichtigen Roman geschrieben, in dem sich gesellschaftliche Erwartungen und persönliche Schicksale vor einem sehr eindrucksvollen Panorama (auch dieses wird sehr bildstark vermittelt) abspielen. Es ist ein komplexer Roman, der durch dessen hervorragende Erzählstruktur lebendig wird … bis zum überraschenden Ende. Fazit: Könnte eines der Top Ten Bücher 2025 werden.