Chirù
Als Eleonora und Chirú einander zum ersten Mal begegnen, ist sie achtunddreißig und er achtzehn Jahre alt. Nichts scheint die beiden zu verbinden. Und doch nimmt die bekannte Theaterschauspielerin den schlaksigen Musikstudenten als Schüler an, um seinen Weg für eine Weile zu begleiten. Sie führt ihn in ihre schillernde Künstlerwelt ein.
Aber was ist diese lebensgewandte Frau für den Jungen ? Lehrerin, Mutter, Geliebte? Von allem etwas und nichts davon ganz. Wie »Accabadora« beginnt auch dieser Roman Murgias in Sardinien, führt seine Protagonisten dann aber durch ganz Europa. Michela Murgia erweist sich erneut als sensible Erzählerin ? sie entwirft kraftvolle, autonome Charaktere, die sie meisterlich durch die Untiefen menschlicher Beziehungen führt.
Lieselotte Stalzer –
Auf den ersten Blick eine Liebesgeschichte, beschäftigt sich Murgias Roman mit gesellschaftspolitischen Fragen. Große Teile nimmt das Thema Macht ein: wodurch sie sich ausdrückt (in Familienstrukturen, s.S.8 im e-book), wie man sie erkennt und wie der Einzelne damit umgehen kann bzw. soll. Außerdem spricht die Autorin mit dem Roman u.a. den Protektionismus an („… dachte ich mir, ich könnte ihn mal vorspielen lassen …“).
Mit großem empathischem und psychologischem Einfühlungsvermögen gezeichnete Figuren, die Dialoge öffnen beiden Charakteren des Romans (und den Leserinnen und Lesern) andere Perspektiven und neue Horizonte.
Sprachlich fein moduliert, visuell und taktil in musikalisch-philosophische Unterhaltungen eingebettete Erzählung. Unbedingt lesenswert.